Der bittere Nachgeschmack von «Giftkürbis» und «Killerzucchetti»

halloween kürbisse
Halloween Kürbisse. Foto: Steven Aguilar auf Unsplash

War der bittere Kürbis auf Ihrem Teller wirklich harmlos?



In den Sommer- und Herbstmonaten häufen sich die Anfragen bei Tox Info Suisse zu bitteren Kürbissen und Zucchetti. Manche bemerken den bitteren Geschmack des Kürbisgerichts sofort und probieren nur eine kleine Menge, andere essen trotz des bitteren Geschmacks die ganze Zucchetti aus dem Nachbarsgarten. Später, geplagt von Bauchkrämpfen und Durchfall, erinnern sie sich an den bitteren Geschmack. «Giftkürbisse» und «Killerzucchetti» – was steckt hinter diesen Gruselgeschichten? 

Zier- oder Speisekürbis? Foto: Kerde Severin auf Unsplash
Zier- oder Speisekürbis? Foto: Kerde Severin auf Unsplash

Giftiger Zierkürbis, essbarer Speisekürbis

Haben Sie sich schon einmal gefragt, weshalb beim Zierkürbis oft «nur zur Dekoration» oder «nicht zum Verzehr» steht?

Zierkürbisse: nicht zum Verzehr. Foto: ejp
Zierkürbisse: nicht zum Verzehr. Foto: ejp


Der Grund liegt in den 
Cucurbitacinen, den giftigen Bitterstoffen, die Zierkürbisse enthalten. Diese Substanzen schützen die Kürbisgewächse vor Fressfeinden wie Insektenlarven. Aus Speisekürbissen wurden die Cucurbitacine weitgehend herausgezüchtet. Daher schmecken rohe Speisekürbisse angenehm mild, manchmal leicht nussig oder neutral – aber niemals bitter.


Weder waschen noch kochen hilft

Cucurbitacine sind hitzebeständig, was bedeutet, dass sie sich beim Kochen nicht zersetzen oder verflüchtigen. Auch lassen sich Cucurbitacine nicht wegwaschen, die Substanzen sind in der Pflanze drin. Durch Würze oder Zugabe von Zucker kann der bittere Geschmack jedoch übertüncht werden. Deshalb ist es wichtig, Kürbis und Zucchetti am besten roh zu kosten, bevor Sie sie zubereiten.

Links: gelb-grüne Zierkürbisse Foto: ejp. / Rechts: Kürbisse und Zucchetti in Wanne. Foto: Julia A. auf Unsplash

Warum schmecken Speisekürbisse oder Zucchetti manchmal bitter?

Auch bei weiteren essbaren Kürbisgewächsen (Cucurbitaceae) wie Zucchetti und Gurken wurden die Cucurbitacine grösstenteils aus den Früchten* herausgezüchtet. Doch manchmal kommt der bittere Geschmack zurück – sogar bei Melonen, die ebenfalls zu den Kürbisgewächsen gehören. 

Zucchini mit Blüte
Zucchini mit Blüte. Foto: Alvarez auf iStock

Kreuzung mit Zierkürbissen
Das kann passieren, wenn sich ein Speisekürbis mit einem Zierkürbis kreuzt. Kürbisgewächse sind Fremdbestäuber und werden oft von Insekten bestäubt. Der neu entstandene Kürbis gleicht einem normalen Speisekürbis, enthält aber wieder giftige Cucurbitacine. Erst beim Verzehr bemerkt man durch den bitteren Geschmack, dass etwas nicht stimmt. Eine ähnliche Kreuzung kann auch zwischen Zierkürbissen und Zucchetti vorkommen, wodurch erneut giftige Cucurbitacine produziert werden.

Cucurbitacinbildung unter Stressbedingung
Es scheint, dass eine gewisse Restfähigkeit zur Bildung von Cucurbitacinen bei Speisekürbissen und Zucchetti erhalten geblieben ist. Diese Restfähigkeit tritt besonders dann zutage, wenn die Pflanzen unter Stress stehen. In solchen Situationen kann die sonst fast vollständig reduzierte Bitterstoffproduktion wieder ansteigen. Trockenes, sehr heisses Wetter, ausgeprägte Temperaturschwankungen, Überreife und falsche Lagerung können zu einem erhöhten Cucurbitacingehalt führen. 

Kürbisgarten. Foto: Tania Malrechauffe auf Unsplash

Was tun bei bitterem Geschmack?


Wenn Sie beim Essen von Zucchetti, Kürbis, Gurken oder sogar Melonen einen bitteren Geschmack bemerken, hören Sie sofort auf zu essen! Vertrauen Sie auf Ihre Sinne. 

Egal, ob es sich um eine schöne, grosse Zucchetti aus Ihrem eigenen Garten oder um einen Kürbis handelt, den Sie von Ihrer Mutter geschenkt bekommen haben – bitter bedeutet in diesem Fall Gefahr.


Was habe ich nach dem Verzehr von bitterem Kürbis oder Zucchetti zu befürchten?

Tinkerbell, Spiderman und Vogelscheuche.
Geschnitzte Kürbisse Foto: William Warby auf Unsplash

Wenn Sie trotz des bitteren Geschmacks etwas gegessen haben, gibt es nicht viel, was Sie tun können, ausser abzuwarten, ob sich Symptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall entwickeln. Tox Info Suisse rät davon ab, absichtlich Erbrechen herbeizuführen. Symptome treten in der Regel innerhalb weniger Stunden auf und sind meist nicht langanhaltend. Auch bedeutet bitter nicht zwangsläufig, dass es überhaupt zu Symptomen kommt. 

Tox Info Suisse hat bisher keine Todesfälle im Zusammenhang mit Kürbisgewächsen verzeichnet. Auch eine französische Studie, die von 2012 bis 2016 insgesamt 353 Fälle untersuchte, fand keine schweren Verläufe oder Todesfälle (Le Roux G, 2018). Ein tragischer Fall aus Deutschland zeigt jedoch, dass in sehr seltenen Fällen schwere Folgen auftreten können: Ein 79-jähriger Mann verstarb 2015 nach dem Verzehr einer bitteren Zucchetti aus dem eigenen Garten an den Komplikationen sehr ausgeprägter Magen-Darm-Symptome. Seine Frau, die weniger davon gegessen hatte, erholte sich nach kurzer Behandlung.

Zierkürbisse
Zierkürbisse. Foto: ejp

Was tun bei Symptomen?

Trinken Sie viel Flüssigkeit. Foto: Engin-Akyurt auf Unsplash
Trinken Sie viel Flüssigkeit. Foto: Engin-Akyurt auf Unsplash

Es gibt keine spezifische Therapie. Behandeln Sie die Symptome wie eine normale Magen-Darm-Erkrankung: Trinken Sie viel Flüssigkeit. 

Sollten Sie jedoch blutigen Durchfall oder anhaltende und schwere Beschwerden haben, suchen Sie ärztliche Hilfe auf. Gefährlich ist ein rascher und grosser Flüssigkeitsverlust durch langanhaltendes Erbrechen und Durchfall v.a. bei Kindern, Betagten oder durch Krankheit Geschwächten.


Bei Unklarheiten und Fragen zögern Sie nicht und kontaktieren Sie Tox Info Suisse!


Kürbisdekoration
Kürbisdekoration. Foto: Robin Jonathan Deutsch auf Unsplash

Die Moral der Gruselgeschichte?


Den «Giftkürbis» und die «Killerzucchetti» sparen Sie sich besser zur Halloween-Dekoration auf. 

Prävention – so vermeiden Sie bittere Überraschungen

  • Schmecken Zucchetti, Kürbis, Gurken oder Melonen bitter, nicht weiteressen!
  • Probieren Sie Zucchetti, Kürbisse und Gurken immer roh und vor der Zubereitung.
  • Zierkürbisse dienen wirklich nur der Dekoration – nicht essen!
  • Pflanznachbarschaft vermeiden:
    Zucchetti, Kürbisse und Gurken nicht zusammen mit Zierkürbissen im selben Beet anbauen, um Kreuzungen zu vermeiden, welche giftige Bitterstoffe (Cucurbitacine) produzieren. Pflanzabstände gross halten und jedes Jahr frisches Saatgut verwenden, um auf Nummer sicher zu gehen.

Weitere Informationen

Wahrnehmung von Bitterkeit:

Wo und wie nehmen wir Bitterkeit wahr?
Geschmackswahrnehmung
Geschmackswahrnehmung. Bild: cnu



Die Wahrnehmung von Bitterkeit ist Gegenstand intensiver Forschung, und das Wissen darüber wächst stetig. Einfach gesagt wird eine Substanz als Bitterstoff bezeichnet, wenn sie auf der Zunge bitter schmeckt. Dies geschieht durch die Aktivierung eines oder mehrerer T2-Bitterrezeptoren auf der Zunge. Der bittere Geschmack wird nicht nur über einen einzigen Bitterrezeptor an einem bestimmten Ort wahrgenommen. Weitere Bitterrezeptoren sind am Gaumen, im Rachen, im Kehlkopf und wahrscheinlich auch im weiteren Magen-Darm-Trakt verteilt. 

Ist alles, was bitter schmeckt, giftig?

Nicht alles, was bitter schmeckt, ist gesundheitsgefährdend und führt, wie die Cucurbitacine, zu Magen-Darm-Beschwerden. Die Liste bitter schmeckender Lebensmittel ist lang. Bitterstoffe finden sich in ernährungsphysiologisch wichtigen Gemüsesorten wie Brokkoli, Spinat und verschiedenen Kohlsorten sowie in Salaten wie Rucola und Endivien. Weitere bitter schmeckende Lebensmittel sind bestimmte Käsesorten, Grapefruit oder Genussmittel wie Kaffee, grüner Tee oder Bier. Einige der enthaltenen bitter schmeckenden Pflanzenstoffe gelten sogar als sehr gesund und sollen vor einer Reihe von Krankheiten schützen. 

Nehmen alle Menschen Bitterstoffe (gleich) wahr?

Bekannt ist, dass Säuglinge und Kleinkinder eine angeborene Abneigung gegenüber Bitterstoffen besitzen. Kaffee ist ein gutes Beispiel dafür: Fast jedes Kind rümpft die Nase, wenn es ihn probiert. Ausgeprägt von Geburt an ist die Vorliebe für die Geschmacksempfindung süss, was nahrhaft und ungefährlich bedeutet. Die ausgeprägte Abneigung gegenüber Bitterem soll im Kleinkindalter eine wichtige, lebenserhaltende Funktion haben, da sie uns vor dem Verzehr von giftigen Pflanzen schützen kann. Mit zunehmendem Alter scheint sich die Wahrnehmung von Bitterem zu verändern und auch kulturellen Vorlieben anzupassen. Zum einen nimmt bei älteren Menschen generell die Empfindlichkeit für verschiedene Geschmacksrichtungen ab, davon besonders betroffen sind bitter und sauer. Durch Gewöhnung können wir etwas von unserer genetisch angelegten Ablehnung gegenüber Bitterem ablegen, sogar eine gewisse Vorliebe für Bitteres entwickeln. Auch hier dient der Kaffee als ein gutes Beispiel. 

Bei den Bitterstoffen handelt es sich wie bereits erklärt um keine einheitliche Substanzgruppe und Bitterstoffe kommen in äusserst vielen Lebensmitteln vor. Ihre Giftigkeit reicht von harmlos und gar gesund bis giftig. Trotz umfangreicher Forschung ist bis heute nicht vollständig geklärt, welche Bitterstoffrezeptoren im Mund welche Bitterstoffe wahrnehmen. Auch scheinen kleine Unterschiede im Erbgut dafür verantwortlich zu sein, dass die Wahrnehmung von bitter in der Bevölkerung variiert. Frauen sind generell empfindlicher für Bitterstoffe als Männer und jüngere Menschen empfindlicher als ältere. Von der hellhäutigen, europäischen Bevölkerung sollen bis zu 30 Prozent eine deutlich verminderte Wahrnehmung von Bitterkeit haben, während dies in Westafrika auf 3 Prozent und in Indien auf bis zu 40 Prozent der Bevölkerung zutreffen soll.


Zucchetti oder Zucchini:

Was ist der Unterschied?


Es gibt keinen. Botanisch gesehen handelt es sich um dieselbe Pflanze (Cucurbita pepo). Das gilt sowohl für gelbe und grüne als auch für grosse und kleine Exemplare. Je nach Sprachregion wird der eine oder der andere Begriff bevorzugt.

verschiedenfarbige Zucchetti
Verschiedenfarbige Zucchetti. Foto: Wirestock auf iStock

Fachliteratur:





*Botanisch handelt es sich um Früchte, im allgemeinen Sprachgebrauch werden sie aber zu den Gemüsen gezählt (Ausnahme Melonen).




September 2024