Warum Aktivkohle in jede Hausapotheke gehört
Muss jetzt der Magen ausgepumpt werden?
Bei Vergiftungen denken viele, der Magen müsse ausgepumpt werden – eine Vorstellung, die oft aus dramatischen Filmszenen stammt. Diese Methode zur Verhinderung der Giftaufnahme wird jedoch heutzutage in der Schweiz kaum noch angewendet, da das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ausfällt.
Das absichtliche Herbeiführen von Erbrechen wird seit vielen Jahren nicht mehr empfohlen. Stattdessen kann Aktivkohle die Giftaufnahme verringern, wenn sie rechtzeitig eingenommen wird. In der täglichen Beratung fällt uns jedoch auf, dass sich in der Hausapotheke von Herrn und Frau Schweizer kaum ein Fläschchen mit Aktivkohle-Suspension befindet. Im Notfall wäre jedoch der schnelle Griff in die Hausapotheke, in der sich ein bis zwei Fläschchen der schwarzen Flüssigkeit befinden, besonders hilfreich – vor allem für Familien mit Kleinkindern.
Wie hilft Aktivkohle bei Vergiftungen?
Aktivkohle wirkt bei Vergiftungen, indem sie Giftstoffe in Magen und Darm wie ein Schwamm aufnimmt und verhindert, dass diese ins Blut gelangen und den Körper schädigen. Stattdessen werden die Giftstoffe mit dem Stuhl ausgeschieden.
Da Aktivkohle (Carbo medicinalis) ein Arzneimittel ist, sollte sie nur in Rücksprache mit einer Ärztin, einem Arzt oder Tox Info Suisse eingenommen werden. In den Jahren 2019 bis 2023 wurde bei etwa 2,5% der Anfragen an Tox Info Suisse, die Menschen betroffen haben, die Gabe von Aktivkohle empfohlen.
Im Notfall zögern Sie nicht, Tox Info Suisse zu kontaktieren!
Wichtige Hinweise zur Anwendung von Aktivkohle:
Nur nach Rücksprache:
- Aktivkohle darf niemals ohne vorherige Rücksprache mit einer Ärztin, einem Arzt oder Tox Info Suisse eingenommen werden.
Nicht bei jedem Gift wirksam:
- Aktivkohle hilft nicht bei allen Giften: z.B. Säuren, Laugen, Alkohole oder Metalle binden nicht an Aktivkohle.
- Aktivkohle bindet jedoch die meisten Medikamente und Pflanzengifte.
Der richtige Zeitpunkt:
- Aktivkohle wirkt am besten, wenn sie schnell, idealerweise innerhalb einer Stunde nach der Vergiftung, eingenommen wird.
- In den meisten Vergiftungsfällen ist eine Einnahme Stunden später nicht mehr hilfreich.
Kontraindikationen – wann Aktivkohle nicht eingenommen werden sollte:
- Aktivkohle sollte nicht Personen mit Bewusstseinsstörungen, starker Benommenheit, eingeschränktem Schluckreflex oder Erbrechen gegeben werden (Aspirationsgefahr).
- Nicht gegen den ausdrücklichen Patienten- oder Kinderwillen verabreichen (Aspirationsgefahr).
- Nicht anwenden bei Verdacht auf Verätzungen.
- Keine Anwendung bei Substanzen, die nicht von Aktivkohle gebunden werden.
Was ist Aktivkohle und wie wird sie gewonnen?
![Feines schwarzes Pulver.](https://www.toxinfo.ch/customer/files/1175/Kohlepulver-geschnitten_Augustas-Cetkauskas-auf-iStock-2025-02-06-1.png)
Aktivkohle ist ein feines schwarzes Pulver, das weder Geschmack noch Geruch hat.
Sie wird in der Regel als trinkfertige Lösung (Suspension) verabreicht und aus pflanzlichen Materialien wie beispielsweise Kokosschalen hergestellt. Aktivkohle ist nicht dasselbe wie Grillkohle, beide bestehen jedoch aus Kohlenstoff. Anders als Grillkohle wird die Aktivkohle in einem speziellen physikalischen oder chemischen Verfahren aktiviert, wodurch eine poröse Struktur entsteht. Ihre Oberfläche ist dadurch stark vergrössert und damit auch ihre Fähigkeit, Stoffe an sich zu binden (Adsorption), so dass sie Giftstoffe wie ein Superschwamm aufsaugen kann. Bereits wenige Gramm Aktivkohle besitzen eine Oberfläche (Adsorptionsfläche), die etwa der Grösse eines Fussballfeldes entspricht.
Warum flüssige Aktivkohle und nicht Kapseln oder Tabletten?
Tox Info Suisse empfiehlt die fixfertige, flüssige Aktivkohle (Suspension), wie z.B. Carbovit® Suspension. Diese ist in der Schweiz zugelassen. In einer Flasche mit 100ml Flüssigkeit befinden sich 15 g Aktivkohle. Das enthaltene Sorbitol ist ein Süssstoff, der den Geschmack verbessert und eine abführende Wirkung hat. Um die Akzeptanz bei Kindern zu erhöhen, kann die bereits mit Sorbitol gesüsste Suspension mit Saft, Cola oder Joghurt gemischt werden.
Die empfohlene Dosis beträgt in der Regel 1 Gramm Aktivkohle pro Kilogramm Körpergewicht. Eine Person mit 60 kg muss dementsprechend 4 Flaschen einnehmen.
![Kohletabletten -kapseln und -pulver.](https://www.toxinfo.ch/customer/files/1175/Kohlekapsel-tablette-pulver_1989_s-auf-iStock_2025-02-06-1.png)
Aktivkohlekapseln oder -tabletten sind bei Vergiftungen ungeeignet, da sie oft nur geringe Mengen Aktivkohle enthalten (etwa 200 mg pro Kapsel).
Die gleiche Person müsste 300 Kapseln schlucken. Aktivkohlekapseln können jedoch bei Reisedurchfall hilfreich sein, besprechen Sie die Einnahme am besten mit Ihrer Hausarztpraxis.
Warum gehört die Aktivkohle Suspension in die Hausapotheke, insbesondere in einen Haushalt mit Kleinkindern?
Aktivkohle wirkt am besten, wenn sie schnell, idealerweise innerhalb einer Stunde nach dem Schlucken des Giftes, eingenommen wird. Unserer Erfahrung nach treten Notfälle aber selten zu Ladenöffnungszeiten ein, und selten ist sofort jemand verfügbar, um rasch Aktivkohle zu besorgen. Solche Situationen stellen immer eine Ausnahmesituation dar. Besonders in Haushalten mit Kleinkindern, die häufig in Vergiftungsnotfälle verwickelt sind, ist es daher hilfreich, Aktivkohle-Suspension vorrätig zu haben. So kann im Ernstfall schnell und gezielt gehandelt werden. Bedenken Sie, dass für das Trinken der Aktivkohle ebenfalls Zeit benötigt wird.
Zum Artikel: Hausapotheke: Weniger ist sicherer!
![Hausapotheke](https://www.toxinfo.ch/customer/files/1175/garo-uzunyan-vintage-apothekenbox-zugeschnitten-1.png)
Wann darf Aktivkohle nicht angewendet werden?
Die Aktivkohle-Suspension sollte nur nach Rücksprache mit einer medizinischen Fachperson oder Tox Info Suisse eingenommen werden.
Bei Personen mit Bewusstseinsstörungen, starkem Benommenheitszustand oder eingeschränktem Schluckreflex wird von der Anwendung abgeraten. Ebenso raten wir von der Anwendung gegen den Willen des Kindes ab. Diese Situationen bergen das Risiko, dass Aktivkohle versehentlich in die Luftröhre oder die Lunge gelangt, was zu Atembeschwerden oder einer Lungenentzündung führen kann (Aspirationsgefahr).
Welche Nebenwirkungen gibt es?
Grundsätzlich gilt Aktivkohle als sicher; bei richtiger Anwendung überwiegen im akuten Vergiftungsfall die Vorteile in so gut wie allen Fällen die Nachteile. Mögliche Nebenwirkungen sind Erbrechen, Verstopfung, Völlegefühl oder eine Schwarzfärbung des Stuhls.
Vorsicht bei der Einnahme von Aktivkohle mit Medikamenten, z.B. Aktivkohle Kapseln bei Reisedurchfall, Detox-Smoothies und Detox-Produkten.
![Detox-Drink](https://www.toxinfo.ch/customer/files/1175/Kohledrink_sveta_zarzamora-auf-iStock_2025-02-061-1.png)
Aktivkohle Kapseln werden häufig bei Reisedurchfall eingesetzt, zudem wird Aktivkohle auch in Detox-Smoothies und anderen Detox-Produkten verwendet, die eine entgiftende Wirkung versprechen. Die bindende Wirkung der Aktivkohle betrifft jedoch sowohl toxische als auch nichttoxische Substanzen, unabhängig davon, ob sie in einer therapeutischen Dosis oder in einer Überdosis eingenommen wurden. Daher kann es auch zu einem Wirkungsverlust bei benötigten Medikamenten kommen, beispielsweise der Antibabypille.
Empfehlung: Halten Sie einen Abstand von 2 bis 3 Stunden zwischen der Gabe von Aktivkohle-Präparaten und der Medikamenteneinnahme ein. Grundsätzlich sollte die Einnahme aller Aktivkohle-Präparate nur in Rücksprache mit einer medizinischen Fachperson erfolgen.
Weitere Informationen
Fachliteratur:
Februar 2025